Donnerstag, 19. März 2009
Ein Papst im Spagat
"Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem"

Dies ist ein Zitat von Papst Benedikt XVI., dass die Medien in den letzten Tagen polarisierte und nun seinen gesamten Afrikabesuch überschattet. Warum hat sich der Papst, der an sich zwar erzkonservativ, sicher aber nicht dumm, scheinbar so unüberlegt geäußert?

Um diese Fragestellung ein wenig zu durchleuchten, betrachten wir doch zuerst die Linie die Papst Benedikt XVI. auch bei früheren strittigen Themen gefahren ist. In diesem Fall beispielhaft und oberflächlich an der Aufhebung der Exkommunikation von Richard Williamson (ungeachtet der Holocaustleugnung von der der Papst laut eigener Aussage zu dem Zeitpunkt nicht wusste).
Der Papst hat hier einen erzkonservativen und fundementalistischen Anhänger des Katholizismus wieder zurück ins Boot geholt und mit ihm einen Kern an Fundamentalisten zurück ins Boot geholt. Dies dürfte ihn allerdings auch einige "Ab-und-an-Kirchengänger" gekostet haben. ABER: Was ist dem Oberhaupt eines Apparates wie der Kirche lieber? 1000 Kirchengänger, die seine Thesen in Frage stellen und kritisch nachdenken oder aber 100 loyale und dem Katholizismus getreue Fundamentalisten, die für ihn durchs Feuer gehen würden. In diesem Fall waren dem Papst die 100 getreuen Anhänger lieber. Dennoch zeigte er sich nicht gänzlich zeitgemäß informiert, indem er die Leugnung des Ausmaß des Holocausts von Williamson nicht beachtete, oder schlicht und einfach noch nicht kannte.

Versucht man dieses Schema auf die aktuelle Situation anzuwenden, so ergibt sich langsam ein Muster und ein gewisser Sinn hinter den Aussagen des Papstes. Wieder bemüht er sich hier um die wirklichen Hardliner des Katholizismus, dieses Mal eher im Westen, in den Weiten der Prärien der USA. Dort sind Eltern natürlich davon überzeugt, dass es besser für ihre Kinder ist bis zur Ehe keinen Sex zu haben. Diesesmal allerdings scheinen die Folgen und die teilweise so zu mutmaßende Uninformiertheit des Papstes etwas anders als bei Williamson.

Der Papst geht bei seinem Zitat von europäischen Verhältnissen aus. Hier bringen die Eltern einem, grob gesagt und verallgemeinert, bei: Hab keinen Sex, aber wenn doch, dann mit Kondom! Beim Kind bleibt nach dem Prinzip des geringsten Widerstands der Eindruck hängen, dass Sex mit Kondom der optimale Weg ist. Nur geringer Ärger mit den Eltern und nur geringe "Spaßeinbußen" beim Sex mit dem Partner. Allerdings werden in Europa den Aussagen des Papstes wegen der allmählichen Säkularisierung nicht mehr soviel Gehör geschenkt.

In Afrika jedoch sehen beide Umstände beinahe konträr aus. Auf der einen Seite ist die Erziehung sehr anders, weil sie bei weitem nicht so sehr auf weitreichendere Wertevermittlung ausgelegt sein kann, da es vor allem zuerst ums Überleben geht. Wer will schon dass sein Kind nach dem Kategorischen Imperativ lebt, deswegen aber nichts zum Essen bekommt? Nein, das geht nicht und deswegen, wegen dem verschobenen Fokus der Erziehung, kommt es auch zu einer anderen sexuellen Aufklärung und Erziehung. Dazu fallen auch die staatlichen Aufklärungsmaßnahmen, wie die Schule, größtenteils weg. Jugendliche machen also eigene Vorstöße in sexuelle Werte und offenbar finden sie Gefallen an der Sexualität. Das heißt diese Bedingung ist gänzlich anders.

Nun kommen wir zum zweiten Umstand der sich mit der Bedeutung des Papstes in Afrika beschäftigt, die viel höher ist als in Europa. Die Säkularisierung ist in Afrika bei weitem nicht so weit fortgeschritten wie in Europa, was ganz einfach dadurch zu erklären ist, dass man in Notsituationen eher bei einer spirituellen, transzendenten Instanz Hilfe sucht als in Überflusssituationen. Da Afrika sich zu größten Teilen in Not befindet und bei weitem nicht unseren Lebensstandard erreicht hat also auch der Glaube einen ganz anderen Stellenwert und damit auch der Papst, das heißt man schenkt seinen Aussagen auch auf der Straße beim kleinen Mann Gehör.

Nun versucht seine Eminenz, Benedikt XVI. den Spagat, Afrika zu helfen, denn er will sie ja wohl kaum umbringen und an AIDS sterben sehen, ihm etwas in dieser Art vorzuwerfen wäre absurd, und Fundamentalisten für sich zu gewinnen. Er erkennt den Fehler den europäische, säkularisierte Eltern machen und bietet keinen Weg des geringsten Widerstandes an. Es ist laut ihm also keine Alternative die "grad auch noch so geht" dass man, wenn man Sex hat, ein Kondom benutzt. Man hat einfach keinen Sex. Es gibt keine Alternative.

Hier treffen zwei große Interessen aufeinander. Einmal biologische und einmal geistlich, spirituelle. Obwohl man also in Afrika das Wort des Papstes erhört und ihm auch große Achtung steht, steht es in direkter Konkurrenz zum biologischen Trieb, zum genetischen Imperativ unser Genmaterial weiterzugeben. Und so sehr der Mensch auch ein Kulturwesen ist, seine tierischen Merkmale und Instinkte wird er nie gänzlich abstellen können, also siegt der Instinkt über die Spiritualität an der Stelle an der sie nicht nebeneinander sein können. Hier scheitert also der Spagat des Papstes und er "opfert" viele afrikanische Anhänger (nicht dass sie den Glauben an Gott verlieren, sondern vielmehr um einiges drastischer) für mäßig viele westliche Fundamentalisten. Nicht in vollem Wissen, natürlich nicht, er ist nach wie vor Christ und handelt mit voller Überzeugung das Richtige zu tun und Menschenleben damit zu schützen, sondern einfach weil er seine biologischen Instinkte inzwischen überwunden hat, nicht weil er spiritueller ist als andere, sondern weil biologische Instinkte sich nach dem biologischen Alter richten und dieses von der Natur vorgegeben etwa zwischen 40 und 50 endet wenn man in freier Wildbahn lebt. Das heißt ab dieser Schranke ist es möglich den Geschlechtstrieb völlig zu unterdrücken (Man verstehe mich bitte nicht falsch, es ist möglich, nicht zwingend vorgegeben) und das auch nur in Austausch gegen einen gewissen Ersatz, in des Papstes Fall der Spiritualität und der Gewissheit das Richtige getan zu haben.

Leider, ein Irrtum.

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Samstag, 24. Januar 2009
Ein Schwarzer im Weißen Haus
Barack Hussein Obama - gewählter 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika steht unter Beobachtung. Nun ist natürlich nicht von bösartigem Stalking die Rede, sondern davon, dass die ganze Welt jeden seiner Schritte verfolgt. Ungewöhnlich viel wird verständlicherweise spätestens seit Dienstag über ihn berichtet, also ab dem Zeitpunkt ab dem er sein Amt mit seinem Amtseid angetreten hat (auch wenn es dort kleinere Probleme gab).

Nun gilt die Frage: Wird Barack Obama die Erwartungen, die von überall und wahrscheinlich nicht zuletzt von ihm selber an ihn gestellt werden erfüllen können? Der US-Präsident, auch oft der mächtigste Mann der Welt genannt, steht vor einer maroden Wirtschaft, einer fragwürdigen Außenpolitik, strittigen Steuergesetzen und einem uns unmenschlich anmutenden Gesundheitssystem. Als ob das nicht genug wäre, mischt sich global auch noch der gute alte Klimawandel mit ein und eine Energiekrise liegt auch in naher Zukunft.
Obama, der einen Blick fürs Wesentliche zu haben scheint, lässt sich davon bisher allerdings nicht beirren. Beharrlich geht er den Weg, den er seit seinem Wahlkampf eingeschlagen hat. Den Weg der Gerechtigkeit, der Transparenz und der Demokratie, das alles natürlich auf bescheidenen Wegen, denn wie hieß es in der Antrittsrede: Es kommen harte Zeiten auf Amerika zu, in denen alle mit anpacken müssen. Das macht natürlich vor der Regierung nicht halt.
Doch obwohl der Wahlkampf nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt vielversprechend klang ist die Sache USA noch lange nicht gegessen. Man kennt es überall aus der Welt, Wahlkampfversprechen können auch problemlos als Wahlkampfversprecher gewertet werden und viele Versprechen lösen noch kein Verbrechen. Zwar ist die Bilanz nach drei Tagen im Amt durchaus positiv (wie man an der Einberufung der Guantanamo-Prozesse sieht), aber dennoch bleibt zu erwarten, ob Obama als erster schwarzer Populist im Weißen Haus in die Geschichte eingeht, oder ob an ihn als strahlender Mythos in Krisenzeiten erinnert werden wird.

Doch zurück dazu, dass er auf Schritt und Tritt beobachtet wird. Es fällt doch stark auf, dass er in beinahe jeder Zeitungsausgabe mindestens einmal vertreten ist. Es scheint beinahe, als ob es keine wichtigeren Meldungen und Hintergründe auf der Welt gäbe als "Obamas Versprecher beim Amtseid" oder "So sah Obama auf der Tanzfläche aus" (Titel nur sinngemäß, nicht wortgemäß übernommen). Komisch nur, dass dieser Raum nicht für mehr Hintergründe der Weltwirtschaftskrise, der drohenden Energiekrise oder aber der Klimakrise, die ja inzwischen komplett kommerziell ausgebeutet scheint und offenbar nicht mehr viel her gibt, zu gebrauchen wäre.

Zu argumentieren, dass Obama wegweisend und maßgeblich wäre, wie man aus diesen Krisen herausfinde hat allerdings auch einen schalen Beigeschmack. Der Gesamteinfluss der Vereinigten Staaten lässt sich zwar nicht leugnen, aber dennoch ist Barack Obama Präsident der USA und nicht der ganzen Welt. Das könnte man diesem Mann, auf dem sowieso schon endlos viele Erwartungen lasten auch wirklich nicht weiter zumuten. Schließlich hat auch jede Regierung und jedes Individuum eine Eigenverantwortung, die nicht an eine Projektionsfigur abgegeben werden sollte.

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